Endlich Akkorde meistern

Bei vielen Hobbymusikern (Geigern, Bratschisten etc.) gehören mehrstimmige, gebrochene Akkorde zweifellos zu den stiefmütterlich behandelten Passagen. Kein Wunder, zählen sie doch zu der potenziell klang- und intonationsgefährlichen (siehe auch: Intonation auf Geige, Bratsche, Cello & Co. — wie man die Stimmung im Ensemble verbessert) Spezies der Doppelgriffe. Aber selbst, wenn die ersten Gehversuche mit Doppelgriffen (tatsächlich ist das gelegentliche Üben etwa von Terzen, Sexten und Oktaven eine der effektivsten Methoden, um auch Akkorde sauber zu greifen) vollzogen sind, und viele Doppelgriffe bereits hie und da gelingen: Akkorde können klanglich eine besondere Herausforderung bleiben. Hier 3 kleine Anregungen aus meiner Unterrichtserfahrung, die helfen können, das Akkordspiel zu verbessern.

Akkorde früh und rasch brechen

Akkorde sollen in fast allen Fällen der musikalischen Praxis früh und rasch gebrochen werden. Die Töne im Bass werden nur knapp angespielt (wir vertrauen auf den Nachklang), und zwar deutlich unterhalb der Bogenmitte, etwa beim Schwerpunkt des Bogens. So entsteht ein kraftvoller Impuls, der ein stimmiges Klangbild ergibt.

Das erste Notenbeispiel zeigt die übliche Notation eines einfach zu greifenden, vierstimmigen G-Dur-Akkordes (so beginnt etwa Mozarts Violinkonzert in G-Dur KV 216), das zweite eine — hinsichtlich des Timings — in den meisten Fällen wenig gelungene Verwirklichung, das dritte eine frühe Brechung des Akkordes knapp nach dem Armimpuls, die überwiegend gute Ergebnisse zeitigen sollte.

Die richtige Kontaktstelle

Die Kontaktstelle (siehe auch: Die Kontaktstelle) wird bei Akkorden häufig zu weit am Griffbrett gewählt: Achtung, Achtung, allerhöchste Knarzgefahr! Beim Akkordimpuls wirkt verhältnismäßig viel Kraft auf die Saiten. Und so lässt sich in den allermeisten Fällen der Klang schon allein durch die Wahl einer Kontaktstelle ziemlich nahe am Steg verbessern.

Strategien in der Kammermusik

Ein bekannter Trick, nämlich Doppelgriffe Divisi (dabei werden Noten gerecht auf die Stimmen aufgeteilt) zu spielen, greift aus musikalisch-performativen Gründen bei gebrochenen Akkorden häufig zu kurz, denn die Ästhetik eines gebrochenen Akkordes ist in die Komposition gewissermaßen eingeschrieben. Folgendes Beispiel aus Mozarts Streichquartett KV 80 kann die Problemstellung illustrieren:

Mozart, Streichquartett KV 80, Allegro T. 1-8

Ein häufiges Problem solcher gleichzeitig gespielten Akkorde (Takt 3 und 7) ist ein inhomogenes Klangbild. Falls alle Spieler geübt im Akkord-spielen sind, wäre eine etablierte Proben- und Lösungsstrategie, sich zuallererst einmal die Akkorde gegenseitig vorzuspielen und dann diese klanglich und hinsichtlich des Timings anzugleichen. Im Idealfall gelingt dabei auch eine Mischung der Balance: Die erste Geige führt klanglich und spielt ein ungebremstes Forte, die zweite Geige „schummelt sich“, lautstärkemäßig untergeordnet, dazu.

Eine Lösung, die der Charakteristik dieser Stelle nicht zuträglich ist, wäre hingegen folgende Aufteilung des Akkordes in Takt 3 auf die 2 Geigen:

Diese Aufteilung des Akkordes auf zwei Geigen erzeugt ein eher breites, orgelartiges Klangbild

Ein bessere Lösung, wäre es, den Akkord auf folgende Weise zu verwirklichen, denn dabei bliebe die Ästhetik des vierstimmigen Akkordes erhalten:

Veröffentlicht von

Heinz

Heinz hat Violine und Viola in Wien studiert und ist als Geigen-, Bratschen- und Kammermusiklehrer tätig. Seine besondere Liebe gilt der Kammermusik, Franz Schubert und philologisch hervorragenden Notenausgaben. Nach mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland (Heidelberg und Bamberg) lebt Heinz ab Herbst 2022 wieder in seiner Heimatstadt Wien.

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